Gewaltprävention

Gewalt in der Schule – eine kurze Einführung in das Thema

Was ist Gewalt?

Eine einheitliche Definition des Begriffs „Gewalt“ gibt es in Deutschland nicht. Was Kinder und Jugendliche vielleicht noch als „freundschaftliche Schubserei“ sehen, ist für Eltern und Lehrkräfte vielleicht schon gewalttätiges Verhalten. Auch zwischen Mädchen und Jungen, Frauen und Männern variiert das Verständnis von Gewalt. Mit körperlicher Gewalt schädigt man einen anderen, um Einfluss, Macht und Kontrolle über ihn zu gewinnen. Aber auch Missbrauch, Mobbing und Erpressung sind Gewaltformen. Sie können ebenfalls zu erheblichen Belastungen oder Störungen der körperlichen und seelischen Gesundheit führen.

Was sagt die Statistik?

In vielen Lebensbereichen unserer Gesellschaft ist Gewalt in unterschiedlichen Erscheinungsformen existent: im öffentlichen Leben, in Familien, in der Arbeitswelt – und auch in der Schule. Entgegen der
allgemeinen Auffassung hat die Gewalt an Schulen in den letzten Jahren aber nicht zugenommen, sondern im Gegenteil sogar abgenommen – und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch pro 1.000 Schüler. So stehen 88.704 so genannte Raufunfälle aus dem Jahr 2007 noch 112.345 Fällen aus dem Jahr 1995 gegenüber. Zugrunde liegen dabei die Fälle, die der gesetzlichen Unfallversicherung gemeldet wurden.
Ein verändertes Anzeigeverhalten kann weitgehend ausgeschlossen werden, da Schulen aus versicherungsrechtlichen Gründen eine Unfallanzeige machen müssen.

Die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ kommt zu einem anderen Ergebnis. Zwar nimmt dort die absolute Zahl von tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen über alle Delikte (z. B. inklusive Diebstahl) hinweg ab, die Gewaltdelikte nehmen aber entgegen diesem Trend zu. Dunkelfeldstudien widersprechen allerdings einer steigenden Anzahl von Gewaltdelikten, sondern verweisen eher auf eine abnehmende Toleranz der Gesellschaft gegenüber Gewalt und eine erhöhte Anzeigebereitschaft. Die Taten wandern vom „Dunkelfeld“ ins „Hellfeld“.

Welche Akteure bieten Präventionsmaßnahmen an?

Selbst wenn die Anzahl der gewalttätigen Übergriffe stagniert: Jede Gewalttat ist eine zu viel und wäre besser im Vorfeld verhindert worden. Außerdem sagen die Zahlen nichts über verbale oder andere Formen nicht-körperlicher Gewalt an Schulen aus. Deshalb müssen die verantwortlichen Akteure in den verschiedenen sozialen Bereichen den Erscheinungsformen von Gewalt präventiv, das heißt vorbeugend, entgegenwirken. Gesetzliche Unfallversicherung und gesetzliche Krankenversicherung übernehmen als Sozialversicherungsträger diese Verantwortung unter anderem für Kinder und Jugendliche an allgemein und berufsbildenden Schulen. Sie initiieren oder unterstützen Projekte gegen Gewalt in Schulen. Daneben gibt es viele andere Akteure der Prävention, wie Polizei, Vereine und Kommunen, die eigene Projekte durchführen oder kooperieren.

Welche Einflussfaktoren gibt es?

Als risikofördernd für die Entstehung von Gewalt weisen Studien die folgenden Faktoren aus:

  • individuelle Faktoren (z. B. frühes gewalttätiges Verhalten)
  • familiäre Faktoren (z. B. körperliche Züchtigung und Misshandlung)
  • Schule (z. B. schlechte Schulleistungen, schlechte Schularchitektur)
  • Einflüsse von Gleichaltrigen und
  • Einflüsse aus dem weiteren sozialen Umfeld.

Das Risiko, gewalttätig zu werden, wird unter anderem verringert durch:

  • elterliche Fürsorge und positive Beziehung zu den Eltern sowie zu anderen Erwachsenen,
  • stabile Bindungen,
  • soziale Kompetenz,
  • soziale Unterstützung und ein stabiles soziales Umfeld,
  • Erfolg in der Schule,
  • mittlere bis hohe Intelligenz,
  • eine prosoziale Entwicklung und soziale Wertehaltung,
  • Problemlösungskompetenzen,
  • hohe Selbstwirksamkeitserwartungen.

Was ist bei Präventionsmaßnahmen zu berücksichtigen?

Einige Faktoren sind unveränderlich, wie etwa Intelligenz. Andere können verändert werden, so etwa die soziale Kompetenz oder Problemlösungskompetenzen. Diese Unterscheidung ist für die Planung von Präventionsmaßnahmen wichtig.

Weil risikofördernde und -hemmende Bedingungen vielfach miteinander verwoben sind und sich gegenseitig beeinflussen, sollte Gewaltprävention darüber hinaus auf mehreren Ebenen ansetzen: bei den Eltern, in der Schule, im Stadtteil und beim Kind. Im Vordergrund steht die Förderung der risikohemmenden Faktoren. Bei den auf die Kinder und Jugendlichen ausgerichteten Maßnahmen sollten das Alter, der Entwicklungsstand und weitere zielgruppenspezifische Bedürfnisse, die sich zum Beispiel aus dem Geschlecht oder aus dem kulturellen und ethnischen Hintergrund ergeben, berücksichtigt werden.

Nur durch langjährige, aufeinander aufbauende Präventionsmaßnahmen, die die Entwicklung der Kinder berücksichtigen, kann Gewalt reduziert oder verhindert werden. Deshalb sollte idealerweise eine gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention in der frühen Kindheit, also im Kindergarten und in der Grundschule, beginnen. Nachfolgende Schulen und andere Institutionen können dann auf den Grundlagen aufbauen.

Um die Präventionsmaßnahmen dem Bedarf der einzelnen Schule anzupassen, ist es wichtig zu wissen, was die Schule benötigt. Soll dem Entstehen von Gewalt vorausschauend vorgebeugt werden, weil sich das Klassen- oder Schulklima in letzter Zeit verschlechtert hat? Dann sind Angebote angezeigt, die Kompetenzen von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern gezielt fördern. Sie können beispielsweise in Rollenspielen ihr Verhalten in Konfliktsituationen trainieren und lernen, besser mit Ärger und Wut umzugehen. Die Klasse oder die Schule könnte sich selbst Regeln geben, auf deren Einhaltung alle achten.

Eine andere Situation ergibt sich, wenn sich bereits kleine oder größere Gewalttätigkeiten ereignet haben. Ziel ist hier zu verhindern, dass sich gewalttätige Situationen weiterentwickeln. In den Maßnahmen müssen die aktuellen Konflikte aufgegriffen und bearbeitet werden. Langfristig können etwa Schüler als ausgebildete Streitschlichter dafür sorgen, dass Konflikte friedlich gelöst werden. Auch hier ist es sinnvoll, an einer gemeinsamen Schulkultur zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass die Schule ansprechend gestaltet ist.

Was tun?

Gewalttaten machen uns erst einmal betroffen und scheinbar hilflos. Es ist aber nötig zu handeln. Präventionsmaßnahmen fördern ein gutes Schulklima und ein positives Miteinander in der Schule. Nutzen Sie die Angebote der Unfall- und Krankenkassen oder anderer Anbieter.